november

Die Stimmung ist dunkel. November. Gewiss, es wird dunkler werden. Bevor der Schnee kommt. Erinnerungen verschwinden. Dort, hinter dem Baum, wo der Blitz voriges Jahr eingeschlagen hat, schien der Mond. Ein Stück Vergänglichkeit.

Tone Avenstroup (Text und Performance)
in Zusammenarbeit mit Anouschka Trocker (Sound), Inghild Karlsen (Visual artist), Sophie Watzlawick (Filmschnitt), Tarwater (Musik), Rex Joswig (Stimme dt.), Henrik Rafelsen (Stimme no.)

Premiere: 07.11.18, ausland, Berlin
Weitere Aufführungen: 08.11.18, ausland, Berlin
16.12.18, Bomuldsfabriken Kunsthall, Arendal
07., 08.11.19, Theaterhaus Mitte, Berlin

Produktion: Tone Avenstroup
Produktionsmitarbeit (2018): Ariane Sept, Christina Ertl-Shirley, Gabriele Schohl, Stefan Döring, Mario Michel
Produktionsmitarbeit (2019): Ariane Sept, Lili Boës, Team des Theaterhauses
Mit freundlicher Unterstützung von Theaterhaus Berlin, ausland-berlin, Bomuldsfabriken Kunsthall
Gefördert von Norwegian Arts Council, Fond for lyd og bilde

Kritik: Berit Einemo Frøysland, “Linjer og forbindingar i eit oppstykkja landskap”, Norsk Shakespearetidsskrift, 4/2019.


Die Texte der Performance sind in november im schlaf, Verlag Peter Engstler 2019, publiziert.

Lesungen

 20.03.19, RUBIKON Tapetenwerk, Leipzig; 03.04.19, Buchpräsentation, mit Anouschka Trocker (feat. Rex Joswig & Tarwater) und Sophie Watzlawick (NOVEMBERtrailer) WATT, Berlin; 13.06.19, Hafenlesung, Thalia Theater, Nachtasyl , Hamburg; 15.09.19, LIX / liaison hoch X, ULF-Festival, Z-Bau, Nürnberg

Novembertrailer (2019), Sophie Watzlawick

November Video-Aufnahme Arendal (voller Länge), Sophie Watzlawick.

november, Foto Gianmarco Bresadola, 2019

DER NOVEMBER MACHT DEN UNTERSCHIED

von Robert Mießner

Ein Waldstück, so spätherbstlich rau wie zeitlos romantisch. Die Bäume sehen wir bereits entlaubt; die langsame, zeitlupenhafte Fahrt der Kamera nach unten lenkt die Blicke auf das Unterholz. Dort ist noch grün. Dann ein Weg. Auf ihm zuckt eine geteilte Schlange im Todeskampf. Das ist eines der Bilder, die die berlinisch-norwegische Künstlerin Tone Avenstroup in ihre neue Performanceproduktion „november“ eingebaut hat. Eine archaische Metapher, so wie auch ein toter Schwan, stromabwärts treibend, oder ein zappelnder Fisch im Waschbecken. Bilder, die einem bösen Märchen entnommen sein könnten.
Ein Text, der einen langen Abschied, eine dezidierte Trennung markiert. Sein deutsch-norwegischer Titel: „weg, bane“. Daraus: „er wollte sich ändern han ville forandre seg und ich glaubte ihm jeg trodde ham // er wiederholte seine fehler han gjentok sine feil auch unsere gemeinsamen også de vi hadde gjort sammen in der wiederholung slik ble han var sine spor wurden ihm seine schritte klar overtramp fehltritte feiltråkk es lagen tote auf seinem weg det lå fullt av døde
Die Bilder sind tatsächlich in einem norwegischen November entstanden, in einem Sommerhaus an der Südküste. Den Text hat Avenstroup (seit 2001 Verfasserin mehrerer Lyrikbände, seit längerem schon Autorin) danach geschrieben. Er ist einer von mehreren, die in der Performance zu hören sein werden, erschienen sind einige davon in den Literaturzeitschriften Herzattacke und Idiome.
Wer Avenstroups Texte kennt und die Autorin beim Vortrag erlebt hat, könnte verwundert sein: Bis jetzt hat sie ihre Texte zumeist zweisprachig veröffentlicht und auch präsentiert, beide Varianten aber voneinander abgesetzt. Jetzt befinden sich die beiden Sprachen der Autorin in einem auch typographisch umgesetzten fließenden Übergang, ähnlich denen des Traums und des Dämmerns. Es war ein Schlafstück, das am Anfang dieser Texte stand.
Zur „november“-Performance gibt es drei neue Songs des Berliner Elektro-Drift-Duos Tarwater (Bernd Jestram, Ronald Lippok). Fast schon eine Maxi-Single, nur, mit nach Hause nehmen kann man sich die bis jetzt nicht. Man muss schon in die Aufführung dafür. Permanente Verfügbarkeit ist nicht das Ziel. Die Hörspielregisseurin Anouschka Trocker wird einen Klangteppich live beisteuern und Avenstroup begleiten. Rex Joswig, Sänger des Baltic-Rock-Trios Herbst in Peking, leiht  „november“ seine Stimme für eine Tape-Einspielung. Das Bühnenbild stammt von der Künstlerin Inghild Karlsen.
Wenn „november“ läuft, dann ratternd. So, wie in einem alten Kino. Die Filmregisseurin Sophie Watzlawick hat aus Avenstroups Fotos einen 16-mm-Film erstellt. An seinem Anfang flackert eine Glühlampe. Wenn sie erlöscht, bleiben eine Einbahnstraße und ein verwittertes, leeres Haus. In „november“  wird viel zu Ende gehen und dabei so schnell nicht aufgeben wollen. „Dunkel“, sagt die Künstlerin. Nicht düster, ist das doch ein Unterschied.